Magazin 
Hier posten wir Beiträge zu zentralen Themen rund um soziale Innovationen für das Alter(n). Bestenfalls finden Sie darin Ihre Fragen und Themen wieder. Lassen Sie sich inspirieren, inspirieren sie uns! Wir laden Sie ein, mitzudiskutieren und mitzugestalten. Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an info@posia.org, wenn Sie sich weitere Themen wünschen oder uns Kommentare und Anregungen zusenden möchten. Wir sammeln Ihre Ideen und greifen diese gern auf. 


“Utopien sind nicht nur Instrumente, die Zukunft auszumalen, sondern dienen auch der Vermessung der Gegenwart.” Gero von Randow (Utopia jetzt) 

Am Anfang steht die Vision 
Dr. Maria Keil

Mit dem Index Soziale Innovation für das Altern zeigen wir positive, bunte Zukünfte. Aber ist das der richtige Weg? Haben wir nicht genug Probleme, Missstände, manchmal sogar Verbrechen zu bekämpfen? 

Ja, es gibt Probleme und Herausforderungen. Und sie wurden und werden schon oft beschrieben. Wir kennen Überschriften wie “Unerträgliches Dahin-Vegetieren pflegebedürftiger Menschen” (krankenkassen.net). Es gab auch schon unzählige Versuche, Reformen, Leitlinien, Gesetze, Empfehlungen, um sie anzugehen – meist wenig erfolgreich. Es fehlt der lange Hebel: beim Personalmangel in der Pflege und Altershilfe oder zur Beantwortung der Frage, wie wir mit der Verschiebung der Altersstruktur infolge des demografischen Wandels umgehen.  

Diese und zahllose andere Probleme – nicht nur in der Pflege – werden im Index Soziale Innovation für das Altern nicht mehr benannt. Deswegen sind diese Probleme jedoch nicht verschwunden, und eigentlich stehen sie sogar ganz am Anfang. Nämlich am Anfang all der Anstrengungen, die dazu beigetragen haben, dieses Instrument Index zu entwickeln. Dabei wurde danach gefragt, wie überwunden werden kann, dass alternde Menschen bevormundet werden, dass sie unsichtbar gemacht werden, eingesperrt, gedemütigt und übergangen. Die Antwort darauf ist, dass es um eine positiv formulierte Orientierung gehen muss, also um Vorstellungen davon, wie es besser werden kann. Und auf welchen Wegen dies gelingt. Für den Index wurde dafür aus Projekten geschöpft, die beispielhaft sozial innovativ Lösungsansätze gefunden haben und dabei sind, diese Ideale umzusetzen.  

Es geht nicht darum, dass wild Veränderungen angestoßen werden. Auch nicht, wenn diese Veränderungen im einzelnen Fall sogar helfen, einen Missstand abzustellen. Es geht um die Richtung der Veränderung. Wohin zielen die Aktionen im Großen und Ganzen? Soziale Innovation heißt nämlich vor allem, dass es einen Willen gibt, das Handeln der Akteur:innen für eine bestimmte Sache so zu verändern, dass es vor allem jenen Menschen besser geht, die bisher ausgeschlossen oder benachteiligt waren. Soziale Innovationen sind mehr als nur sozialer oder kultureller Wandel. Denn dieser passiert einfach so. Das Leben der Menschen verändert sich ständig. Vor 100 Jahren sprachen wir anders, kleideten uns anders und so weiter. Sprache, Moden, Umgangsformen ändern sich, ohne dass es einen Plan oder ein Ziel dahinter gibt. Ein gewollter Wandel in eine bestimmte Richtung ist gemeint, wenn von sozialer Innovation die Rede ist. 

An dieser Stelle kommt die Vision ins Spiel oder auch die Utopie. Eine Utopie ist ein Entwurf für eine fabelhafte Zukunft oder einen perfekten Ort, den es nicht gibt. Das Wort Topos, das in Utopie enthalten ist, ist Altgriechisch und heißt: Ort. Das davorstehende U heißt: nicht. Zusammengesetzt ist die U-Topie also ein Nicht-Ort oder ein Nirgendland. Und hier gibt es freilich eine Unterscheidung zwischen der Vision und der Utopie. Das Wort Vision bedeutete im Mittelalter Traumgesicht. Das Wort ist dem Lateinischen entlehnt, in dem es eigentlich Sehen oder Anblick meint. Die Vision hat konkrete Anhaltspunkte und kann realistische Vorstellungen für eine zukünftige Umsetzung und planbare Zukunft sein. Die Utopie dagegen ist Utopie, weil sie utopisch ist, weil sie uns nicht umsetzbar erscheint. Der Gelehrte und englische Beamte Thomas Morus gilt als Erfinder der Utopie. Er erzählt im Jahr 1516 von solch einem Nirgendland in seinem Buch „Utopia“. Die Insel „Utopia“ ist ein Traumland, wo Menschen gerecht und zufrieden gleichberechtigt miteinander leben. Grund und Boden besitzen alle gemeinsam. Alle bilden sich gemeinschaftlich und arbeiten für die Gemeinschaft. Und nicht zuletzt kann jede:r seine Religion frei ausüben. Dies alles stand im krassen Gegensatz zur Wirklichkeit seiner Zeit. Wenige besaßen das meiste Land, viele arbeiteten unfrei, hatten keinen Zugang zu Bildung und Menschen mit anderen religiösen Ansichten wurden mitunter gefoltert, verfolgt und getötet. Neben „Utopia“ von Morus gibt es viele weitere utopische Romane, z.B. „Herland“ (1915) von Charlotte Perkins Gilman. Gilman beschreibt eine ideale Gesellschaft frei von Krieg und Herrschaft, weil die Gesellschaft nur aus Frauen besteht.  

Der Index Soziale Innovation für das Altern changiert zwischen Utopie und Vision. Die Einen sagen, er sei visionär, für Andere erscheint er utopisch. Und ich finde beides in Ordnung. Denn das Sich Ausmalen einer bestimmten Art von Zukunft – ob nun als Vision oder als Utopie – macht erst sichtbar, was in der Gegenwart fehlt oder von der Utopie aus gesehen falsch wirkt. Visionen oder Utopien sind für die Gegenwart wie eine Schablone. Als Schablone erhalten sie die Wirkmacht eines Werkzeugs. Die Gegenwart kann mit dem Bild der Utopie oder der Vision abgeglichen, bemessen und bewertet werden. Wenn uns ein Bild vor Augen gehalten wird, wie es auch ganz anders und wirklich gut sein könnte, dann entsteht für uns gedanklich ein Abstand zur gegenwärtigen Situation und damit auch ein Stachel. Ein Stachel, der sich in uns bohrt und der nach Veränderung ruft: Wir müssen und wollen diesen Abstand verkleinern, um in Zukunft näher an der Utopie zu sein.  

“Utopien sind nicht nur Instrumente, die Zukunft auszumalen, sondern dienen auch der Vermessung der Gegenwart.” Gero von Randow (Utopia jetzt) 

Quellennachweise: 

Krankenkassen.net, zuletzt zugegriffen 4.5.2023, https://krankenkassen.net/pflegereform/pflegenotstand/der-mensch-als-kostenfaktor.html

Bundesverband Freie Darstellende Künste: “Utopia jetzt” Bundeskongress 2020, S. 11, https://utopia-jetzt.de/images/Downloads/PH_Bundeskongress2020.pdf

Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch. 25. Aufl. v. Elmar Seebold, Berlin/Boston 2011. 


Möglichkeitsräume
Warum wir Soziale Innovationen brauchen

Caroline Rehner

Am Ortsrand von Tokyo, Japan, befindet sich eine kleine, multifunktionale Pflegewohnanlage, takurosho genannt. Sie besteht aus vier miteinander verbundenen Häusern, die alle durch gemeinsam genutzte Gärten und Zufahrtswege miteinander verbunden sind. In einem Haus wohnen Menschen mit Demenz. Ein anderes wird als Tagespflege genutzt, wo Bewohner:innen und Besucher:innen zusammenkommen. Die Frau, die hier arbeitet, bringt jeden Tag ihr Kind mit. Spielzeug liegt auf dem Boden. Zwei andere Gebäude dienen ganz unterschiedlichen Zwecken: Bewohner:innen und Besucher:innen teilen sich einen Gemeinschaftsraum, einen improvisierten Süßigkeitenladen, eine Kalligrafieschule, eine Küche, wo alle gemeinsam kochen. Im Restaurant der Anlage essen oft Studierende aus der Umgebung zu Mittag. Auf den Regalen stapeln sich bunte Tassen, die Menschen aus der Nachbarschaft, die hier häufiger herkommen, von zu Hause mitgebracht haben. Im Gemeinschaftsraum können Eltern Liegetücher für ihre Babys ausleihen. Es gibt Zimmer für Bewohner:innen und auch kleine Wohnungen, in denen Menschen, die in der Anlage helfen wollen, für weniger Miete unterkommen.  

Die Gebäude befinden sich entlang eines Weges, der von einer viel befahrenen Straße abzweigt. Ursprünglich war der Weg von der Straße durch eine Steinmauer abgetrennt. Als die Idee zur Pflegewohnanlage entstand, wurde als allererstes diese Mauer niedergerissen. Jetzt nehmen Anwohner:innen und Schulkinder diesen Weg als sichere Abkürzung zur Schule oder zu einem Park. Sie laufen hier an Blumenbeeten und Kletterbäumen, Gartenutensilien und Spielzeug vorbei, kaufen Süßigkeiten und verweilen öfter länger. 

(Das Beispiel stammt aus: Hauderowicz, D. & Serena, K. (Hrsg.) (2020). Age-Inclusive Public Space. Berlin. S. 130-137.) 

Wie wird unsere Zukunft, wie wird das Alter(n) in Zukunft, aussehen? Wie soll das Altern in Zukunft aussehen? In der Nachbarschaft, in der Stadt, im Land – und über nationale Grenzen hinweg.  

Zur Gestaltung unserer Zukunft brauchen wir eine gemeinsame Richtung, eine Vision, wie diese Zukunft – in vielfältiger Form – aussehen kann. Wir müssen Möglichkeitsräume denken, ausprobieren und dann auch schaffen. Wir brauchen Ideen, Konzepte und Strategien, wie die sozialen Räume aussehen sollen, in die hinein wir altern wollen – für akute Bedarfslagen und vorausschauend für langfristige Ziele.  

Ob es um bedarfsgerechtes und zugleich schönes Wohnen geht, barrierearme Gestaltung öffentlicher Räume oder Mobilität im eigenen Umfeld, ob es um ganzheitliche Gesundheitsleistungen oder aktivierende Pflege geht, um lebenslange Bildung, Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen, Möglichkeiten der Mit-Gestaltung in der Kommune oder um neue kulturelle Alternsbilder – in all diesen Bereichen und bereichsübergreifend müssen wir inklusives Zusammenleben fördern. Wir müssen Wege finden, um die Grundrechte auf Teilhabe, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit alternder Menschen zu realisieren. Viele alternde Menschen wünschen sich beispielsweise, als Individuen ohne Stigmatisierung wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, ein aktives Leben zu führen, sich lebenslang weiterzubilden, schöpferisch tätig zu sein und ihren Ressourcen entsprechend frei zu entfalten.  

Häufig aber entspricht die Art und Weise, wie Altern erlebt wird, nicht dem, wie es sein soll und wie es sich Menschen wünschen. Alternde Menschen, insbesondere Menschen, die Krankheit und einen Verlust von Fähigkeiten erfahren, die Hilfe bedürfen, sozialökonomisch benachteiligt sind oder jene, die nicht der ‚Mehrheitsgesellschaft‘ entsprechen – beispielsweise queere Menschen, introvertierte Menschen oder Menschen mit Behinderung oder Migrationsgeschichte – erfahren Formen von Ausgrenzung, Stigmatisierung und Demütigung. Kränkung, Bevormundung, Vernachlässigung oder Gewalt prägen die Lebenswelt und können auch die eigene Selbstwahrnehmung beeinflussen.   

Und auch die großen, gesamtgesellschaftlichen Entwicklungslinien haben Einfluss. Demographischer Wandel und Pflegenotstand, Generationenkonflikte, soziale Folgen von Ungleichheit, Klimawandel, Folgen der Globalisierung, eine zunehmend angespannte politische Lage sind wachsende Herausforderungen für Menschen jeglichen Alterns.  

Stellen wir uns einmal vor, wir hätten die Wahl: Würden wir in die Gesellschaft, wie sie aktuell besteht, überhaupt hineinaltern wollen? Viele – ältere wie jüngere – Menschen beschränken ihre aktive Teilhabe und ziehen sich ins private Umfeld zurück, teilweise bis hin zur Isolation.  

Wir brauchen gesamtgesellschaftliche Initiativen, die solche sozialen Räume möglich machen, die dazu einladen, aktiv teilzuhaben und mitzumachen. Dafür müssen wir zunächst einmal Formen von Demütigung oder Exklusion alternder Menschen verringern. Ziel aller Veränderung ist das ganz alltägliche Erleben von Menschenwürde, wie sie in den Menschenrechten, dem Europarecht, dem Grundgesetz und in den Sozialgesetzbüchern benannt, wenn auch nicht in alltagspraktischer Form beschrieben wird. 

Braucht es dafür immer etwas Neueres, Besseres, Kreativeres, Digitaleres – vermeintlich Innovativeres? Sind bisherige Projekte nicht gut genug?  

Unter den Steigerungsformen neu, besser, kreativer lassen sich Soziale Innovationen nicht ausreichend fassen: Nicht alles, was neu und kreativ ist, ist im Sinne gemeinschaftlicher Werte wirklich gut. Nicht alles, was digital ist, kann ganzheitlich an komplexe soziale Zusammenhänge und Problemlagen andocken. 

Soziale Innovationen können Ideen, Konzepte, Technologien, Strategien oder Organisationsformen sein. Gemeinwohlorientierte soziale Innovationen, nach denen wir suchen, verbinden einige Charakteristika, die deutlich spezifischer sind als der reine – auch ökonomische – Fortschrittsgedanke von etwas Neuem. 

Soziale Innovationen verändern grundlegend die Funktionsweise eines Systems. Sie docken an soziale Praktiken, Strukturen und Einstelllungen an und zielen auf eine Veränderung des sozialen Miteinanders im System.  

Soziale Innovationen sind gemeinwohlorientiert. Sie verändern das System, die Einstellungen und sozialen Praktiken so, dass die Vulnerabilität von Menschen und der planetaren Gesundheit gemindert und die Resilienz gesteigert wird.  

Soziale Innovationen tragen zur Realisierung von Grund- und Menschenrechten bei. Dies ist eine Spezifizierung der Idee des Gemeinwohls. Sie fördern ein inklusives Zusammenleben, indem sie zur Teilhabe, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit einzelner Menschen oder von Gruppen beitragen und Demütigung und Exklusion verringern. 

Folgende Beispiele illustrieren, auf welche Art und Weise soziale Innovationen umgesetzt werden können:  

Was ist sozial innovativ? – Beispiel 1 

Es werden nicht nur einzelne Rampen in einem Pflegeheim errichtet, sondern es wird, unter partizipativem Einbezug verschiedener Zielgruppen, ein umfassendes Konzept für ‚Universelles Design’ – das heißt Design, das für möglichst viele Menschen problemlos nutzbar und dabei ästhetisch ansprechend ist – in einem Quartier erarbeitet.  

Was ist sozial innovativ? – Beispiel 2 

Es wird eine vielseitige Kampagne für Alternsbilder initiiert, die über geeignete Diffusionskanäle – z.B. ein Podcast, ein Museum, ein Schulungsformat – vielfältige und ressourcenorientierte Alternsbilder vermittelt und dabei Perspektivwechsel ermöglicht (z.B. durch intergenerationellen Austausch, durch Kunst, oder auch technisch durch multisensorische Stimulation mittels Virtual Reality Brillen). 

Was ist sozial innovativ? – Beispiel 3 

In einer Gemeinde wird eine hybride (digitale und analoge) Plattform geschaffen, eine Art ‚Zukunftslabor‘, in der Menschen aus verschiedenen Generationen zusammenkommen, um, bedarfsorientiert, die Entwicklung ihrer Gemeinde gemeinsam zu gestalten und verschiedenartige Angebote zu entwickeln. 

Aus den hier skizzierten Beispielen leiten sich einige weitere charakteristische Eigenschaften sozialer Innovationen ab, die deren Vorteile und Nutzen zeigen.  

Soziale Innovationen sind visionär. Sie haben eine Richtung, eine Vision einer besseren Zukunft.  

Soziale Innovationen sind werteorientiert. Bei der Umsetzung ihrer Vision orientieren sie sich an gemeinsamen Werten und machen die Werte selbst zum höchsten Ziel – egal ob in gemeinnütziger oder privatwirtschaftlicher Organisationsform.  

Soziale Innovationen sind tiefgreifend. Statt nur punktuelle und befristete Einzelmaßnahmen zu sein oder oberflächliche Verbesserungen bestehender Strukturen vorzunehmen, greifen sie auf Ebene gesellschaftlicher Strukturen, des Handelns und der Werte an und verändern Umgebungen, Netzwerke, Organisationsformen und Einstellungen nachhaltig. Sie erzeugen systemischen Wandel, neue Denkweisen, neue soziale Praktiken. 

Soziale Innovationen sind ganzheitlich. Sie reagieren auf ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Bedarfslagen mit ganzheitlichen Lösungsansätzen, die das Wissen unterschiedlichster Professionen und die Erfahrungen unterschiedlichster Menschen und Expert:innen bündeln. Sie stoßen Wissenstransfer an und vernetzen sich auch über nationale Grenzen hinweg. Sie nutzen bestehende (Welfare-)Netzwerke, um ihre Mission zu diffundieren. 

Soziale Innovationen sind prozessorientiert. In ihrem Zentrum stehen Lernprozesse. Offen, flexibel und anpassungsfähig reagieren sie auf aktuelle Bedarfslagen und dynamische Veränderungen und finden vorausschauend Lösungen für zukünftige Herausforderungen. Spielerisch-explorativ testen sie immer wieder Ideen und Lösungsansätze. Kritisch reflektieren sie auch sich selbst und wachsen daran.  

Soziale Innovationen sind partizipativ. Sie stellen die Bedarfe der Zielgruppen an erste Stelle und binden diese von Anfang an in die Gestaltung ein, beziehungsweise organisieren die Gestaltung von Beginn an mit ihnen zusammen.  

Soziale Innovationen sind aktivierend. Sie streben möglichst hohe Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit der Zielgruppen und eine sich selbst regulierende Umsetzung an. In einzelnen Fällen kann das dazu führen, dass eine Initiative von Beginn an ihr eigenes Ende mitbedenkt und einplant, weil sie so eigenverantwortlich von den Zielgruppen angenommen und so eigendynamisch umgesetzt wird, dass sie als Initiatorin gar nicht mehr gebraucht wird.  

Soziale Innovationen sind Kollektivgut. Sie öffnen sich zur Teilhabe und machen sichtbar, dass sie gegenüber besonderen, zum Beispiel kulturellen oder geschlechtlichen, Bedarfen sensibilisiert sind und Vielfalt schätzen. Sie lassen zu, dass die Zielgruppen das Projekt aktiv mitgestalten und dass neue soziale Dynamiken in vernetzten Sozialräumen das Projekt verändern. Sie stellen ihr erworbenes Wissen, ihre Erfahrungen und Ergebnisse öffentlich, transparent und ansprechend zur Verfügung.  

Soziale Innovationen sind inspirierend. Sie regen zur Nachahmung an und entwickeln Strahlkraft über den unmittelbaren Sozialraum hinaus.  

Soziale Innovationen sind nachhaltig wirksam. Soziale Innovationen streben ‚Outcomes‘ – Wirkung bei den Zielgruppen – und ‚Impact‘ – Wirkung auf Ebene der Gesellschaft – an. Sie planen, analysieren und verbessern ihre Wirkung von Beginn an. 

Soziale Innovationen sind mutig. Soziale Innovationen regen Veränderungen in komplexen Systemen an. Das erfordert Überwindung und Mut, da der Beginn einer Veränderung neue, unvorhergesehene Bedarfe und Herausforderungen generieren kann, die in komplexen Systemen trotz guter Planung nie genau vorhersehbar sind. Auch stoßen Veränderungen häufig auf Widerstände von außen, weil sie ungewohnt, anspruchsvoll, ja überfordernd wirken können. Soziale Innovationen stellen sich diesen Herausforderungen und lernen und entwickeln sich mit den Aufgaben, die ihnen begegnen.  

Soziale Innovationen erfordern Mut. Aber sie ermöglichen es auch, dass man an den Zielen und Aufgaben wächst, dass man Selbstwirksamkeit spürt, weil man etwas in Bewegung setzt, dass man Sinnhaftigkeit in seinem Wirken erfährt, dass man sich in Resonanz mit seiner Umgebung befindet.  

Soziale Innovationen sind nicht zwangsläufig teuer oder schwierig umzusetzen. Hoch professionalisierte und niedrigschwellige Maßnahmen können gleichermaßen innovativ wirken. Es kommt nur darauf an, wie passgenau sie an spezifische Bedarfslagen und Möglichkeiten vor Ort zugeschnitten sind und wie wirksam und nachhaltig sie jeweils umgesetzt werden.  

Mit einer Vision fängt es an. Und damit, dass Zeit und Raum für gemeinsame Lernprozesse geschaffen werden. Alles weitere folgt Schritt für Schritt. Manchmal spielerisch, manchmal zufällig. Sicherlich anders als erwartet. Und genau das soll es auch sein: anders als gewohnt. Aber passend dazu, was sich Menschen wünschen und worauf sie ein Recht haben. 

Welche Sozialen Innovationen möchten Sie aus Ihrem Kontext heraus anregen oder umsetzen? Schreiben Sie uns an info@posia.org und teilen Sie mit uns Ihre Erfahrungen. 


Doing Age
Dr. Maria Keil


Homage / Leaving Traces
Versuch einer künstlerischen Intervention
Sefa Pala