Wozu braucht es einen
Index Soziale Innovation für das Altern?
Die für die Gestaltung einer alternsfreundlichen Gesellschaft notwendigen tiefgreifenden Veränderungen erfordern, Gesellschaft neu zu denken. Gemeint ist Gesellschaft in all ihren Dimensionen (Gesundheit, Pflege, Mobilität, politische Teilhabe, Wohnen etc.). Dabei hilft das Konzept der sozialen Innovation.
Obwohl bereits seit vielen Jahren zu sozialer Innovation geforscht wird, gibt es bis heute keine einheitliche Definition. Dennoch lassen sich zwei zentrale Elemente von sozialer Innovation formulieren. Nämlich erstens, dass es sich bei sozialer Innovation um einen Wandel der sozialen Beziehungen, Systeme und Strukturen handelt. Und zweitens, dass soziale Innovation einem menschlichen Bedürfnis oder Ziel dient. Oder dass sie gesellschaftlich relevante Probleme löst. Sozial kann dabei sowohl Beziehungen zwischen Menschen als auch gut für die Gesellschaft meinen. Technische oder ökonomische Erfindung gelten dann als innovativ, wenn sie einen monetären Wert oder Nutzen schaffen. Soziale Innovationen dagegen schaffen einen sozialen Wert oder Nutzen. Was der soziale Wert sein kann, unterscheidet sich je nach Kontext. Der PosIA-Index setzt die Grund- und Menschenrechte, allen voran die Menschenwürde, als Ziel der sozialen Innovation. Teilhabe in der Gesellschaft, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sind zwar in Gesetzestexten als Rechte formuliert, aber längst nicht soziale Wirklichkeit.
Es geht darum, soziale Innovationen zielgerichtet zu fördern und zu entwickeln. Dazu müssen Akteur:innen in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche sozialen Prozesse und Projektansätze zu einer Verwirklichung von Würde, Teilhabe, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung im Altern beitragen. Der Index Soziale Innovation für das Altern unterstützt dabei.
Was ist der Index Soziale Innovation für das Altern?
Der PosIA-Index ist ein Instrument, das eingesetzt werden kann, um das sozial innovative Potenzial von Projekten im Kontext der Alternshilfe einzuschätzen und zu beurteilen. Leitend ist die Frage, inwiefern die Projekte zu positiven und nachhaltigen Veränderungen beitragen können. Damit haben Fördernde die Möglichkeit, gezielter Projekte zu unterstützen. Für soziale Initiativen selbst ist der PosIA-Index ein Hilfsmittel zur eigenen Einschätzung und Selbstreflexion sowie zur Entwicklung von Projekten und Förderanträgen.
Woraus besteht der Index Soziale Innovation für das Altern?
Der PosIA-Index besteht aus einem System von Leitfragen zur Einschätzung des sozial innovativen Potenzials eines zu untersuchenden Projekts. Anhand eines Fragenkatalogs analysieren Fördernde und soziale Projekte den Ist-Zustand der sozialen Innovativität in 6 Bereichen anhand von 12 Merkmalen.
Wie wurde der Index Soziale Innovation für das Altern entwickelt?
Der PosIA-Index wurde in einem zweijährigen Rechercheprojekt zum „Screening von innovativen Ideen, Projekten und Initiativen im Bereich der Alter(n)shilfe“ am Kuratorium Deutsche Altershilfe entwickelt. Zugrunde liegt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Menschenrechten und deren Realisierung bzw. noch bestehender Missachtung, die als Ziel der angestrebten sozialen Innovationen gesetzt wurden. Theoretische und gesellschaftspolitische Orientierung bildet der Text „Wann ist eine soziale Innovation innovativ? Der erkenntnistheoretische Status eines ‚Index der Non-Inklusion‘ als Fluchtpunkt gesellschaftspolitischer Orientierung“ von Frank Schulz-Nieswandt (Berlin, 2021).
Zur Entwicklung des PosIA-Index wurde eine interdisziplinäre Literaturrecherche mit Schwerpunkten auf sozialen Innovationen im Gesundheitswesen sowie in den Bereichen Architektur und Design, Kunst und Kultur und Digitalisierung durchgeführt. Es wurden auch Impulse aus dem Bereich Social Entrepreneurship aufgegriffen. Starken Einfluss hatten beispielsweise das Buch „Age-inclusive public space […]“, herausgegeben von Kristian Ly Serena und Dominique Hauderowicz (Berlin, 2020) oder die Publikation „Neustart!“ (Berlin, 2021) der Robert Bosch Stiftung. Eine Orientierung gaben auch politische Vorhaben, insbesondere das „Age-friendly Cities Framework“ der WHO und Vorhaben der WHO im Kontext des Jahrzehnts des gesunden Alterns der UN. Untersucht wurden auch Maßnahmen für allgemeine Herausforderungen unserer Zeit.
Kernstück bei der Entwicklung des PosIA-Index bildete eine Untersuchung von über 200 Projekten für das Altern, die auf Merkmale für innovative Praktiken hin analysiert wurden. Es wurde darauf geachtet, verschiedenartige Maßnahmen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zu untersuchen. In den Blick genommen wurden Projekte für unterschiedliche spezifische Bedarfe im weiten Feld des Alterns, geclustert z.B. nach Geschlecht, sozioökonomischem Status, Migrationsgeschichte oder Gesundheitszustand, oder auch Bedarfe, die sich aus den Herausforderungen unserer Zeit, etwa dem Klimawandel oder Engpässe in der Versorgung, ergeben. Verbindende innovative Elemente wurden in dem „allgemeinen“ Index Soziale Innovation für das Altern zusammengefasst und nach zwölf zentralen Merkmalen der Sozialen Innovation für das Alter(n) gegliedert.
Woran orientiert sich der Index Soziale Innovation für das Altern?
Zur normativen Bewertung von sozialer Innovativität zieht der PosIA-Index die Grund- und Menschenrechte heran. Allen voran die Menschenwürde und ihre weiteren Konkretisierungen. Sie reichen entlang des rechtlichen Mehrebenensystems von Menschenrechten, Europarecht, den Ewigkeitsartikeln des deutschen Grundgesetzes und den Sozialgesetzbüchern.
Prüft man diese Rechte für die Gruppe alternder Menschen, dann wird schnell klar, dass diese Rechte nicht ausreichend oder gar nicht eingehalten werden. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen nach wie vor Strukturen der Demütigung, der Ausgrenzung, Kränkung und Bevormundung bestehen.
Der PosIA-Index soll keinen oberflächlichen Anstrich des Bestehenden als innovativ kennzeichnen. Vielmehr soll er soziale Innovation als grundlegende gesellschaftliche Reform zu erkennen geben. Soziale Innovationen sind kein Luxus oder Upgrade, um bereits funktionierende soziale Praktiken und Systeme zu ergänzen. Auch nicht um das immer noch Neuere, immer noch Bessere – wie bei neuen technischen Features oder Gadgets – geht es. Sondern es geht darum, die Menschen- und Grundrechte für alternde Menschen wirklich einzuhalten.
Wird mit dem Index Soziale Innovation für das Altern soziale Innovativität gemessen?
Anders als bei marktwirtschaftlichen oder technischen Innovationen ist die Erfolgsmessung von sozialen Innovationen besonders schwierig. Im sozialen Bereich können die Erfolgsmaßstäbe selbst umstritten sein, ebenso wie der Weg, Ergebnisse zu erzielen. Die in sozialen Innovationen entstehenden neuen Formen von Kooperation und Kollaboration führen dazu, dass sich bekannte Modelle, Prozesse und Methoden aus technischer und marktwirtschaftlicher Innovation nicht eins zu eins auf soziale Innovation übertragen lassen. Hier setzt der Index Soziale Innovation für das Altern an.
Der PosIA-Index bemisst nicht die empirische Wirkung sozial innovativer Projekte. Sondern er ist ein Instrument zur Einschätzung des sozial innovativen Potenzials von Projekten. Dies gilt auch in frühen Entwicklungsstadien oder in Stadien der Antragsstellung auf Projektförderung. Die soziale Innovativität von Projekten in sozialräumlichen Systemen wird als graduelles Charakteristikum verstanden. Es wird dann weniger absolut – als gegeben oder nicht-gegeben – gesehen, sondern kann in stärkerer oder schwächerer Form vorhanden sein. Mit dem PosIA-Index können Bereiche innerhalb von Projekten identifiziert werden, die stärker oder weniger stark sozial innovativ sind. Auch lassen sich unterschiedliche Projekte in ihrer Gesamtheit oder in einzelnen Bereichen vergleichen. Die Fragen regen zur Reflektion und zum Austausch an. In Gruppen oder Institutionen können so Lernprozesse über sozial innovative Praktiken angestoßen werden.
Wo finde ich den Index Soziale Innovation für das Altern?
Der PosIA-Index und Zusatzmaterialien sind kostenlos in unserer Akademie erhältlich. Probieren Sie es aus und tauschen Sie sich mit anderen Interessierten darüber aus. Gern können Sie auch in die Verteilerliste des Netzwerks aufgenommen werden. Schriben Sie dafür bitte eine E-Mail an info@posia.org.
Was können Projekte tun, die sozial innovativer werden wollen?
Soziale Innovativität kann durch Lernprozesse intensiviert oder ganz neu angeeignet werden. Es müssen dafür zugleich bestimmte Bedingungen für soziale Innovativität geschaffen werden, die der PosIA-Index beschreibt. Besuchen Sie dazu gern unsere digitale Akademie.
Möchten Sie Ihr Projekt oder Unternehmen einmal hinsichtlich seiner sozialen Innovativität einschätzen oder lernen, wie Sie den PosIA-Index anwenden?
Dann schreiben Sie uns gern eine E-Mail an info@posia.org.